Uns erreichte hier ein nachdenklich machender Text des Hamburger Yogalehrers Christian Mendt, den er kurz nach der großen Klima-Demo geschrieben hat, und den wir gern mit Euch teilen. Er heißt "Die Aufgabe". Es lohnt sich, ihn zu lesen!
Die Aufgabe
Ich stelle mir vor, ich bekäme eine Aufgabe.
Dann sollte es eine Aufgabe sein, die meine ganze Kraft und Kreativität braucht. Die ich aber nicht allein lösen kann.
Eine schwere Aufgabe, für deren Lösung ich die Hilfe meiner Freund*innen brauche, die meiner Eltern und meiner Kinder. Damit wir spüren können, wie eng wir verbunden sind.
Eine Aufgabe, so groß, dass ich die Hilfe von Menschen brauche, die ich noch gar nicht kenne und die ganz woanders leben. Deren Hilfe wertvoll ist, weil sie anders denken und handeln als ich.
Und wie wäre es, wenn diese Menschen die gleiche Aufgabe hätten wie ich? Wir könnten zusammenarbeiten und erfahren, was wir alles gemeinsam schaffen können.
Was wäre, wenn diese Aufgabe sogar so groß und schwer wäre, dass die Hilfe von allen Menschen auf der Erde nötig wäre, um sie zu lösen? Würden wir uns einander näher fühlen?
Dabei könnten wir die Schönheit der Erde wiederentdecken, diese Schönheit, die gerade im Begriff ist, verloren zu gehen – vielleicht für immer.
Ich wünsche mir eine Aufgabe, die mich und uns wieder verstehen lässt, wie alles mit allem verbunden ist. Die mir beweist, wie wirksam unser Handeln ist, und dass es dringend gebraucht wird.
Und noch besser: Diese Aufgabe würde mich lehren, in meinem Denken und Handeln ehrlich zu sein. Die Folgen meines Handelns wären für mich und alle anderen sichtbar und messbar.
Aber auch meine Fähigkeiten, die ich zur Lösung dieser Aufgabe einsetze, wären sichtbar und wichtig. Genau wie die Fähigkeiten der anderen Menschen – der Älteren mit ihrer Ruhe und Erfahrung, der Jugendlichen mit ihrem Reichtum an Ideen, ihrer Energie und Leichtigkeit.
Wir würden die Erkenntnisse unserer Wissenschaftler*innen und Techniker*innen brauchen, das Können und Wissen von allen anderen – auch das der Politiker*innen, weil wir es sonst nicht schaffen könnten.
Die Lösung dieser Aufgabe wäre lebenswichtig und wir sollten ab jetzt gerade ausreichend Zeit dafür haben. Zeit, die wir brauchen, um an der Aufgabe zu wachsen und nicht zu verzweifeln.
Zeit, die auch diejenigen brauchen, die diese Aufgabe noch nicht sehen können oder behaupten, dass es sie gar nicht gibt. Zeit, die uns Anderen die Gelegenheit gibt, zu erkennen, dass auch in uns ein Teil ist, der nicht verstehen will und Nein sagt.
Und ausreichend Zeit, um zu begreifen, dass wir Angst, Hass, Bequemlichkeit, Ignoranz, das ganze Gegeneinander-sein zurücklassen müssen, weil wir es nur mit Mut, Liebe, Engagement, Achtsamkeit und Miteinander schaffen würden. Um dann zu sehen, dass unser innerstes Selbst das schon immer wusste und noch so viel mehr weiß.
Das wäre eine schöne Aufgabe, die all das entwickelt in uns – und bei der wir die Welt retten, die so schön und liebenswert ist wie wir selbst.
Kaum zu glauben, dass es eine so große Aufgabe geben könnte. Aber mir scheint, wir haben sie uns schon gestellt.
Christian Mendt, 21.9.2019